Wie ein Ingenieur aus der Ukraine seinen Chef begeistert
Vadym ist gelernter Ingenieur und stammt aus der Region Luhansk in der Ukraine. Seit 2022 lebt er in Frankfurt (Oder) und hat hier Arbeit gefunden. Warum sein Chef sich kaum einen besseren Mitarbeiter vorstellen kann.
Ein eingespieltes Team: Inhaber Jürgen Krapp und sein ukrainischer Mitarbeiter Vadym Yurchenko im Lager des E-Zigaretten-Versandhandels in Frankfurt (Oder). © Foto: Felix Krone
„Zuverlässig, freundlich, fleißig“ – so charakterisiert Jürgen Krapp seinen Mitarbeiter Vadym Yurchenko. Der 56-Jährige betreibt seit 2015 den Versandhandel lassdampfab.de für E-Zigaretten und Zubehör – zunächst in Briesen, seit knapp drei Jahren in Frankfurt (Oder). Krapp, nach eigenen Angaben selbst jahrzehntelang starker Raucher mit daher rührenden gesundheitlichen Problemen, habe nach dem ersten Kontakt mit einer E-Zigarette keinen normalen Glimmstängel mehr angefasst.
Vor etwa einem Jahr habe er über die Stadtgruppe Frankfurt (Oder) auf Facebook einen neuen Mitarbeiter auf Minijob-Basis für den Versandhandel gesucht, erinnert sich Krapp. Einer der Bewerber: Vadym Yurchenko aus der Ukraine.
Flucht aus der Ukraine – von Luhansk nach Frankfurt (Oder)
Der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt und dem festen Händedruck stammt aus der umkämpften Region Luhansk, wie er in flüssigem Deutsch erklärt. In der Ukraine habe er studiert und anschließend in einem Forschungsinstitut im IT-Bereich gearbeitet und an Geoinformationssystemen geforscht. Doch dann kam der Krieg. Daher lebt Vadym mit seiner Frau und den beiden Kindern seit April 2022 in Frankfurt (Oder). Seine Wahl sei auf die Stadt an der Oder gefallen, weil hier bereits seit einigen Jahren Verwandtschaft von ihm ansässig sei.
Er sei positiv überrascht davon gewesen, wie es hier in Deutschland läuft, sagt Vadym. Seine ersten beiden Gedanken bei der Einreise: „Wo kann ich arbeiten? Was kostet eine Unterkunft?“ Er habe zunächst eine kurze Pause eingelegt und erst mal Deutsch gelernt, erklärt der Ingenieur. Für die große Unterstützung, die ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland gewährt wird, sei er „sehr dankbar“.
Minijob als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt
Sozialleistungen seien in seinem Heimatland kaum üblich: „In der Ukraine haben wir diese Unterstützung nicht. Wenn du kein Geld hast, ist das dein Problem.“ Ein anderes „Problem“ plagte ihn nach seiner Ankunft in Deutschland: „Ich kann nicht zu Hause bleiben“ – seine Empfehlung, an alle Zuwanderer, die derzeit einen Deutschkurs besuchen, lautet, parallel einen Minijob auszuüben. Nichts trainiere die Sprache so, wie die Praxis, wie er mehrfach betont. Außerdem bestehe so die Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und einen besseren Job zu ergattern.
Jürgen Krapp sieht es ähnlich. „Alle Welt jammert über die vielen Flüchtlinge“, sagt er, „wenn sie schon hier sind, warum dann das Arbeiten verbieten?“ Die bürokratischen Hürden, einen Flüchtling einzustellen, seien höher, als wenn man eine Fachkraft aus dem Ausland anwerbe. „Haarsträubend“ fände er das, ärgert sich Krapp und zieht an seiner E-Zigarette. Mittlerweile sei immerhin das Studium von Yurchenko anerkannt worden.
„Ich kann mich glücklich schätzen“, sagt er in Bezug auf seinen Mitarbeiter, der seit zwei Monaten kein Minijobber mehr ist, sondern in Vollzeit für Krapps E-Zigaretten-Versand arbeitet. Eine Win-win-Situation für beide. Krapps größte Sorge ist, dass Vadym eines Tages ausgewiesen werden könnte: „Dann verliere ich meinen besten Mann.“ Der 56-Jährige zieht in Erwägung, die Firma eines Tages an den Ukrainer zu übergeben.
„Ein Beispiel, wie wir uns das wünschen“, freut sich Sebastian Hückstädt, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder). Vadym und Jürgen hätten sich selbst gefunden – ohne Zutun der Arbeitsagentur. Das klappe aber nicht immer. „Wenn Bürger oder Arbeitgeber Unterstützung brauchen, dann helfen die Agentur für Arbeit und das Jobcenter ganz konkret weiter“, erläutert der Sprecher. Mit dem Jobturbo für Geflüchtete unternehme die Bundesregierung gerade konkrete Anstrengungen, um Zuwanderer schneller als bisher in Lohn und Brot zu bringen.
Yurchenko will in Frankfurt (Oder) bleiben – hier fühlt er sich wohl
Auch privat ist Yurchenko in Frankfurt (Oder) angekommen. „Super“, fände er es hier, „alles in Ordnung.“ Er wolle hier bleiben. Früher sei er oft zum Einkaufen nach Polen gefahren, nun tue er sich das angesichts der Staus nur noch selten an. Insbesondere Fleisch kaufe er nur in Deutschland – wegen der besseren Qualität, wie er erklärt. Auch seine Frau habe vor kurzem eine Arbeit gefunden. Sorgen mache er sich um seine Eltern, die nach wie vor in der Nähe von Luhansk lebten, erklärt Yurchenko. Das seien ältere Leute, denen es schwerfalle, ihr Häuschen und ihr vertrautes Umfeld hinter sich zu lassen. Sein nachdenklicher Blick verrät, dass er in Sorge um sie ist. Bald könnte eine neue Hürde auf ihn zukommen: noch sei sein ukrainischer Führerschein in Deutschland gültig, bei einer Änderung des Aufenthaltsstatus müsse er dann aber wieder zur Fahrschule und den Führerschein von Grund auf neu machen – „ganz komisch, verstehe ich nicht“, wundert er sich. Beirren lässt er sich davon nicht. „Nicht sitzen und rumweinen, sondern sich nach vorne bewegen“, sei sein Credo. Auch für andere Flüchtlinge hat er einen Tipp parat: „Keine Angst haben, den Schritt zur Arbeit machen, dann gehts weiter.“ Sein Chef hat für Arbeitgeber, die in Erwägung ziehen, Flüchtlinge einzustellen, ebenfalls einen Ratschlag parat: „Mut haben!“ Hückstädt verweist auf die Agentur für Arbeit: „Wir helfen, wir vermitteln und können passgenau unterstützen.“
Quelle: 20.04.2024 MOZ.de Felix Krone